Montag & Donnerstag 17 Uhr

Schnief´s Jubiläumstour

Ein Nachtrag

Zum 60. Mal Rudern in Berlin

Ein guter Spielmannszug (Chemie Rodleben) und die Einberufung zum Wehrdienst beim Stabsmusikcorps der NVA waren Schuld. “ Schuld“ an einer sechs Jahrzehnte lebendigen Wanderfahrt immer Anfang September in Berlin- Friedrichshagen. Zunächst bei BTB / Ägir und später bei Fernsehelektronik / FRV. Wie kam es zu dieser wohl einzigartig langen und zunächst kurios anmutenden Wanderfahrtgeschichte?

Unser leidenschaftlicher Ruderkamerad, Äquatorpreisträger, Horst Pißner, den die Ruderer allerorten fast nur unter seinem Spitznamen „Schnief“ kennen, hat frühzeitig mit Rudern und der Trommel im Spielmannszug begonnen. Das Spiel muss er so gut gekonnt haben, dass er es auch als Soldat betreiben durfte und auch noch mehr „Ausgang“ als die meisten Soldaten bekam. Diese dienstfreie Zeit wollte er gern zum Rudern nutzen. Berlin sollte doch so viele Vereine dafür haben. Nach einigem Suchen fand er und einige seiner gleichgesinnten „Genossen“ (Walter Richter, Manfred Scherz, beides Roßlauer) offene Ohren. Bei seiner Anfrage beim BTB in der Spreestraße in Persona von Rosi und Wolfgang Voigt. Rosi verwies auf Wolfgang. Der war zu dem Zeitpunkt noch auf dem Wasser. Das Bootshaus hatte Gaststättenbetrieb. Beim Bier vertrieben sich die Soldaten dort die Wartezeit. Wolfgang jedenfalls ließ sich auf die innerlich angefeuchteten Ruderinteressenten ein. Zu den bereits erwähnten Soldaten- Spielleuten kamen weitere (Wibke, Parchim; Althaus, Roßlau; Bodenstein, Wienrode) hinzu. Natürlich die schönen Berliner Gewässer, Spreewald- Fahrten, Wanderungen in Decin/Tschechien oder etliche Abende im Köpenicker Ratskeller waren einige der immer wieder erzählten Erlebnisse, an die auch wir Außenstehenden uns mit Schmunzeln erinnern.

 So, (oder ähnlich ?!) begann eine nunmehr 60jährige Ruderfreundschaft! Für manches, was ich hier niederschreibe, kann ich mich nicht persönlich verbürgen. Kenne ich nur vom oftmaligen Wiedergeben in meist fröhlicher Runde. Die gab es in der langen Zeit erfreulich häufig. Dank rudernden Klassenkamerad Reinhard Buchholz und „Lehrmeister“ Walter Richter war ich (erst) ab 1971 dabei. Da war der Doppelachter, den wir bei der BSG Motor Schiffswerft nicht hatten, noch ein Abenteuer für mich. Außerdem bietet eine so lange, ereignisreiche Zeit unfassbar viel Stoff zum Aufschreiben. An Einiges davon versuche ich in Stichwortsätzen zu erinnern. Diejenigen, die dabei waren, werden sich hoffentlich lächelnd erinnern. Die Anderen, meist Jüngeren, mögen es mir nachsehen oder sollen es sich genauer erzählen lassen. Ich denke da zum Beispiel an

  •  die Hirschgarten- Erlebnisse
  •  Sylvester in der Hafenbar
  •  den zugefrorenen Müggelsee
  •  die Notlandung am FKK im Strandbad Rahnsdorf
  •  die Begegnungen beim Dessauer Rudererball

–      die vielen Heinitzsee- Erlebnisse vor allem mit Wasserfüllung

–     das „Umsteigen“ vom Boot auf die Straßenbahn

–     die Bootsreparatur mit Pflaster aus der Rüdersdorfer Apotheke

  • einen durchgetretenen Achter am Zenner
  •  manche Bootsinstandsetzung durch Wolfgang Voigt
  •  das Wendejahr 1990 mit nur einem Vierer (2x Kohl, Pißner, Richter) zur Scharfen Lanke
  •  den „wärmenden“ Kümmerling-Kreis bei der Post (Pro Sport 24) in Wendenschloss
  •  das gefrorene Grillfleisch von der Bandsäge
  •  fröhliche, nicht „stubenreine“ Gesänge, zum Glück im Dunkeln nicht auf dem Film
  •  manche liebgewordene, verlorene Gaststätte am Wasser, wie z.B. die mit der durch Hannes und Helmut nicht geklärten Frage, ob die Kellnerin einen“ Birnen -oder Appelar…“  hätte
  •  die Wasserung von Manfred und OHK an der Schurre in Woltersdorf durch Reinhard mit zahlreichen Zuschauern
  •  Franks Tauch- Rettungsaktionen
  • „Angefasst reicht“ – Gerhards Getränkekasse
  • Und, und, und. Von jedem Teilnehmer beliebig erweiterbar…

Die Dienstzeit in der Ehrenkompanie des Ministeriums ging zu Ende. Die Verbindung und Ruderfreundschaft zu Rosi und Wolfgang hat noch heute Bestand. Als Beide 1980 bzw. 1990 von BTB/ Ägir zum nahen Nachbarverein Fernsehelektronik/ FRV wechselten, gingen wir mit ihnen und haben es nicht bereut.

In den Jahren nach der Wende haben wir auch mehrfach Ruderreviere außerhalb der täglichen Erreichbarkeit von Friedrichshagen aus ausprobiert bzw. wiederentdeckt. Startpunkte und Quartiere waren dabei Collegia Gatow mit Wassersportheim Spandau im Westen und Lok Zernsdorf im Süden. Zernsdorf sollte auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, wenn Horst, wie ausgesprochen, die Organisation dieser Fahrt in jüngere Hände legt. Anita hat damit seit einiger Zeit begonnen und jetzt bereits erste praktische Schritte für nächstes Jahr unternommen.

Wir in Roßlau, Berlin, Stralsund und wo immer unsere RK wohnen, sind Schnief, der ja auch schon viele Jahre in Groß Sarau am Ratzeburger See lebt, jedenfalls dankbar und zu Respekt verpflichtet für die kaum fassbar lange Zeit der Führung bei dieser Wanderfahrt. In den 60 Jahren hat er nie (!) gefehlt und uns alle zu vielen anstrengend-schönen Erlebnissen auf dem Wasser in und um Berlin verholfen.

 Am Jubiläums- Wochenende vom 7. bis 10. September 2023 war auch Gelegenheit anderen (lebenden) langjährigen Unterstützern vor Ort zu danken. Von denen ist unbedingt „Herzblättchen“, Jürgen Treuherz, zu nennen und sich mancher Anekdote von und mit ihm zu erinnern. Denn Erzählen kann Herzblättchen gut und manchmal auch etwas länger.

Das offizielle Programm begann wie stets mit der donnerstäglichen Anreise. In Hahn`s Mühle bei bestem Wetter auf der Terrasse empfingen uns Voigts und ein erstes kühles Bier oder Kaffee. Quartier fanden alle in den Zimmern oberhalb. Die meisten mit bestem Balkonblick auf die Müggelspree. Der abendliche Gesprächskreis wurde dieses Mal mit der Auflösung der sg. „Sterbekasse“ durch Anita eröffnet. Sie hatte das angesammelte Restgeld vergangener Fahrten in kleine, blaue Rudersäcke mit Namensplakette für die Teilnehmenden (mehr gendern will ich nicht) verwandelt. Beliebt und deftig war dann das traditionelle Abendessen aus frisch Geschlachtetem. Die passenden Getränke dazu gab es auch, wie stets. Nur die %- Angaben auf den Flaschen waren geringer als früher!                        

 Bei den vom FRV zur Verfügung gestellten Booten sollten sich aber für den Folgetag Besetzungs-schwierigkeiten zeigen. Also der Entschluss, unseren Berliner Frank, anzufragen. Seine Antwort war „Ja“ und unsere gemeinsame Zeit gestaltete sich auch über die Tage erneut äußerst erfreulich.

Der Freitag fängt schon einmal gut an. Unser zweiter Berliner, Daniel, bringt frische Brötchen mit. Pünktlich zum 8-Uhr-Frühstück schlägt auch Frank auf. Damit entspannt sich die personelle Lage bei der Besetzung der Boote für Fahrtenleiter Horst. Er besetzt die „Schmölde“ als vollen Vierer mit. „Klaus Schaal“ als Vierer mit Loch und den Zweier mit, die „Spree“ natürlich voll. Es herrschte gutes Ruderwetter. Kaum Wind. So konnte es gleich nach „links“ über den großen und kleinen Müggelsee, durch Neu Venedig, den Dämmeritz- und den Flakensee nach Woltersdorf gehen. Eine höchst vertraute Strecke mit einer neuen Erfahrung. Durch die Schleusenwärterin wurde uns erstmals das Anlegen und der Verbleib der Boote im Bereich der Schurre (Schleusenbereich!) verboten. Das hätte sie auch freundlicher sagen können, meinten die Gesprächsführenden aus dem Fahrtenleiterboot. In Woltersdorf/ Schleuse gibt es etliche Gaststätten, was zur Zweiteilung der Corona führte. Beide Gruppen meinten danach, die richtige Gaststätte gewählt zu haben. Das Essen wurde jeweils gelobt. Schön, denn „wie die Verpflegung, so die Bewegung“, sagt ein altes Sprichwort. Kleine Umbesetzungen taten auf der Rückfahrt einer gleichmäßigen Stärke der Boote gut. Alle fühlten sich offenbar wohl, trotz 28° C.  Es ging jedenfalls ohne Gaststätten- Pause zurück zum FRV.  Boote raus und das erste Kaltgetränk am Steg war redlich verdient nach 28 km in der Sonne. Zum Abendessen steckten wir einfach die Füße unter den Tisch unserer Bootshausgaststätte Hahn`s Mühle und ließen uns vom langjährigen Betreiberehepaar Kalisch bewirten. Der Abend klang erneut in froher Runde aus. Nur Gerhard hatte eine deutliche Kritik anzubringen. „So viel Sekt im Kühlschrank. Da hat nicht mal mehr unser Bier Platz“, wurde mit Gelächter quittiert.

Samstag war der Tag für unser Jubiläumstrikot. Das von 2013 wohlgemerkt. Sofern man dabei war, damals bei der 50. Tour vor zehn Jahren in Friedrichshagen. Sogar Reinhard Buchholz eigenes Exemplar fand, von seiner Monika dem Verein überlassen, in Daniel einen Erben. Der will noch „reinwachsen“.

Es wurde wieder sehr warm. Die gewünschte kleine Mittagspause war (noch) nicht gesichert. Elke und Marco wollen extra von zu Hause noch Leckerbissen zum Festtagsabendessen bringen, heißt es. Bis dahin sollte es nur einen kleinen Imbiss in „Schmetterlingshorst“, gelegen auf Höhe der 500m-Marke der Grünauer Regattastrecke, geben. Wir waren lange nicht dort, sind aber positiv überrascht worden.  Gute Anlegestege und recht vielseitiges Angebot mit günstigen Preisen unter grünem Blätterdach zeichnete das vom Sportbund Treptow- Köpenick betriebene Objekt aus. Die Rückfahrt am frühen Nachmittag brachte uns dank stärkerer Brise recht bewegtes Wasser. Die bei dem guten Wetter zahlreichen großen Motorboote der „armen“ Leute und der Wasser-Touristen bewegten das Ruderrevier zusätzlich. Trotzdem waren die 20km nicht schwer zu bewältigen. Kaum angekommen am Bootshaus traf dort auch unser Festtags-Grill-Menü von und mit Elke und Marco aus Bräsen ein. Elke vollendete ihr Werk auf dem Grill unter der großen Linde am Wasser und erntete viel Lob von allen Nutznießern.“ Großes Kino“, waren wir uns und die Berliner Ehrengäste Rosi, Wolfgang und Herzblättchen einig.  Zu Beginn gab Horst noch einmal einen Abriss zur Entstehung „seiner“ Wanderfahrt, wie ich eingangs meines Fahrtenberichts darzustellen versucht habe. Er bedankte sich ausdrücklich bei unseren Gastgebern vom Friedrichshagener Ruderverein für die langjährige, uneigennützige Unterstützung der für uns einmaligen Fahrt. Ohne diesen „Beistand“ hätte es diese Tradition nicht so lange Jahre geben können.  „Auch wenn wir nicht mehr oder nicht mehr lange dabei sein werden, sind wir doch dankbar für die schöne Zeit mit Euch“, haben uns Rosi und Wolfgang Voigt /FRV und Herzblättchen Jürgen Treuherz von Ägir als Erwiderung mit auf den Weg an die Elbe gegeben.

Den eher besinnlichen Nachmittag und später fröhliche Abend beendeten etliche Akteure auf dem Balkon. Auf der Müggelspree vorbeiziehende Partyschiffe boten einen musikalischen Rahmen der „bedeutungsgeladenen“ Gespräche zur Nacht.

Sonntag. Der Start war etwas zäh nach dem feucht-fröhlichen Vorabend. Unsere Berliner und ihre Frühstücksversorgung liefen auch sonntags reibungslos. Allerdings standen wir bereits beim Frühstück unter ungewollter Beobachtung denkmalinteressierter Besucher des 111 Jahre alten stattlichen Gebäudes. Zum Tag des offenen Denkmals haben wir kooperiert und uns freundlich mit besichtigen lassen. Das 1912 erbaute Bootshaus ist nämlich “Denkmal von nationaler Bedeutung“. Der stolze Bau soll in den nächsten zwei Jahren denkmalgerecht saniert werden.

Wir hoffen für die FRV- Ruderer, das der Zeitplan eingehalten wird, das Geld reicht und ihr Ruderbetrieb gleichzeitig ohne große Störungen weiterlaufen kann.

Unser Tageskurs ging „in die Stadt“. Er hatte je nach Lust und Antrieb der Besatzungen etwas unterschiedliche Wendepunkte über maximal schlappe 18 km Ruderstrecke.

Am Nachmittag im Bootshaus sollte eine weitere, lange zurückliegende Tradition dieser Fahrt, das Zusammensein der Roßlauer Ruderer und unserer Berliner Gastgeber ausklingen zu lassen, erneuert werden. Das oft beschriebene gemeinsame Pflaumenkuchenessen. Herzblättchens Tochter Anke trat hier dankenswerter Weise die Nachfolge ihrer Mutter Ulla an. Die hatte in früheren Zeiten stets den Abschluss der WF bei Kaffee und eben diesem selbstgebackenen Pflaumenkuchen auf der BTB-Terrasse zelebriert. Fotos mit Klein- Anke an der Kaffeetafel weckten bei uns freudige Erinnerungen. Bei mir persönlich, die aus den Fahrten der 70er Jahre. Anke jedenfalls brachte, mit Unterstützung ihres Mannes, einen wunderbaren Pflaumenkuchen auf den Tisch, war die einhellige Meinung der Versammelten.

Es folgte die Formierung zum obligatorischen Gruppenfoto.  Alle in den Festsaal von Hahn`s Mühle, umgeben von der Ausstellung historischer Baupläne und Besuchergewusel vom offenen Denkmal. Aus der Flaggenreihe der Rudervereine an der Wand des Saales grüßte auch unsere, die der Roßlauer Rudergesellschaft. Die Verabschiedung war noch einmal sehr emotional. Die Bauarbeiten am Bootshaus werden vorläufig kaum ein Wiedersehen beim FRV ermöglichen. Vielleicht auch aus eigenen Altersgründen nicht, sagten Einige augenzwinkernd. Also, auf ein glückliches Wiedersehen und ein langes Rudererleben, liebe Freunde! Foto: Sven Cordewinus

Otto-Harald Krüger, Roßlauer Rudergesellschaft

Roßlauer Rudergesellschaft e. V.

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Dachorganisation
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